„Fünfzig Prozent bei der Werbung sind immer rausgeworfen. Man weiß aber nicht, welche Hälfte das ist.“ Henry Ford

Zweifellos hatte dieses zeitlose Zitat jahrzehntelang viel Wahrheitsgehalt. Dann: Die Erlösung! Das Internet und Online Marketing. Reaktionen auf die Werbung, Klicks, Likes, Kommentare, Verweildauer, Newsletteranmeldungen, Käufe. Alles kann gemessen werden. Conversion Tracking im Onlineshop kann in Echtzeit Käufe einzelnen Kampagnen zuordnen. Endlich wird Fords Problematik der fehlenden Effizienzmessung aufgelöst. Marketingentscheider wissen immer und überall, wo sie am günstigsten Neukunden gewinnen können.

Vermeintlich.

Das erste Problem in dieser schönen, neuen Welt ist der riesige Blumenstrauß an KPI (Metriken), die man theoretisch messen, auswerten und optimieren kann. CPM, CPC, CTR, CVR, CPO, ROAS … alles ist denkbar. Schwierig wird es bei der Frage: Worauf konzentriere ich mich? Die Metriken korrelieren selten, widersprechen sich zum Teil sogar. Meine Erfahrung sagt, es gibt die eierlegende Wollmilchsau – eine Kampagne die auf allen messbaren KPI gut performt – einfach nicht. Eine detaillierte Erklärung für die Problematik findest du auch hier.

An dieser Stelle daher nur ein Beispiel für die praktischen Probleme. Vor Jahren war ich für die Performance Marketing Kampagnen von Fonic verantwortlich. Testimonial war damals Bruce Darnell und der Kunde wollte eine neue Kreation mit viel Humor ausprobieren. Und in der Tat, die Kommunikation war einfach witzig. An die genaue Botschaft kann ich mich nicht mehr erinnern, aber ich erinnere mich das ich beim ersten Blick darauf vor meinem Monitor laut gelacht habe. Was ist dann passiert? Viele Empfänger der Werbung hatten die gleiche Reaktion wie ich. Die Klickzahlen waren im Vergleich zu alten Kampagnen Wahnsinn, der CPC so gut wie nie. Nur der ROAS war … schlechter als sonst. Denn viele Leute haben geklickt, ohne das ein ernsthaftes Kaufinteresse da war. Ziel verfehlt.

Die Lösung dieses Problem ist meist der Fokus auf das Ziel, was am tiefsten in der Customer Journey liegt. Wenn man die Verkäufe messen kann, dann optimiert man auf CPO oder ROAS. Wenn man nur die Anmeldung zu einer Probefahrt messen kann, ist es der Cost per Lead. Andere KPI können taktisch interessant sein, sind aber maximal zweitrangig. So weit, so einfach.

Hier aber entsteht ein neues Problem (Ne, wirklich?). Denn die Gefahr besteht, dass im Eifer des Gefechtes der Blick für die entscheidende Frage verloren geht: Wo findet die Kaufentscheidung des Kunden statt? Schauen wir uns ein typisches Beispiel für eine Kampagnenoptimierung an.

Kanal

ROI

Social – Retargeting

8,0

Display – Retargeting

7,0

Social – ohne Retargeting

1,0

Display – ohne Retargeting

0,8

E-Mail

2,5

SEA – Brand Keywords

12,0

SEA – Non Brand Keywords

2,5

Mobile

0,5

Die Ergebnisse sind fiktiv, aber strukturell übertragbar auf 80 % der Kundenkampagnen. Die Interpretation und Optimierung ist (vermeintlich, du erkennst vielleicht ein Muster) leicht. Retargeting und SEA – Brand Keywords haben mit Abstand den besten ROI, also wird dort Budget erhöht. Die Kanäle mit schlechtem ROI bekommen weniger Budget oder werden sogar gestoppt. Das ist brandgefährlich!

Um das zu erklären lass uns die Perspektive wechseln. Und zwar in eine viel zu selten betrachtete Perspektive – die Perspektive deines Interessenten. Nehmen wir an, du interessierst dich für einen neuen Handyvertrag, recherchierst verschiedene Tarife und schaust dich bei verschiedenen Anbietern um.

Was dann passiert, kennst du hundertprozentig. Die nächsten Tage (Wochen?) bekommst du auf jeder denkbaren und undenkbaren Webseite ein Banner mit genau diesem Tarif noch einmal ausgespielt.

Im besten Fall kaufst du irgendwann. Wann ist nun die Kaufentscheidung zugunsten des Anbieters gefallen? Vielleicht hat das Retargetingbanner dir noch einen kleinen Stups gegeben. Aber die wesentlichen Inhalte des Angebots kennst du seit deinem ersten Besuch. Du bist ja nicht dumm und kannst lesen. Viel interessanter ist doch, wie du das erste Mal auf den Anbieter aufmerksam geworden bist.

Und damit zurück zu unserem Budgetcall. Wenn du das Retargetingbudget erhöhst, wird der Pool an Interessenten nicht größer. Sondern du erreichst potenziell mehr Leute, die deine Webseite schon besucht haben. Oder wenn du genug Budget eingesetzt hast, erhöht sich die Frequenz, wie oft das Retargetingbanner gesehen wird.

Über diesen Themenkomplex gibt es noch viel zu erzählen.

Wichtig ist im ersten Schritt zu verstehen: Im Retargeting machst du Werbung für Leute, die dich und dein Angebot schon kennen. Und du zeigst ihnen Informationen, die sie gerade schon auf deiner Webseite gesehen haben. Meine beiden Kernthesen: Ein Interessent, der sich gegen einen Kauf entschieden hat, wird auch durch dein kleines Retargetingbanner nicht umgestimmt. Und für ein Käufer war das Retargetingbanner im besten Fall eine kleine Erinnerungshilfe, aber nicht mehr. Also sei vorsichtig bei einer potenziellen Erhöhung des Retargetingbudgets.